"Dachdecker wollte ich eh nicht werden - Das Leben aus der Rollstuhlperspektive" - Raúl Aguayo-Krauthausen

Ich finde es furchtbar schwer, eine Rezension über eine Autobiographie zu verfassen. Hier gibt es nicht wirklich viel zu beurteilen, keine Handlungslinie, die als vorhersehbar oder überraschend bezeichnet werden kann. Aber da ich mir meine Meinung über das Buch gebildet habe, möchte ich euch daran teilhaben lassen. Allerdings möchte ich zuvor noch sagen, dass ich das Wort „behindert“ nicht wirklich mag, da es heute besonders von Kindern und Jugendlichen als Schimpfwort und Beleidigung benutzt wird und ich jedes Mal, wenn ich von einem Menschen mit Behinderung spreche, das Gefühl habe, eine Beleidigung auszusprechen. Es ist wirklich schade, dass unsere Gesellschaft so weit gekommen ist, dass ein eigentlich normales Wort fast nur noch in negativem Licht gesehen wird.
Raúl Aguayo-Krauthausen wurde mit Osteogenesis imperfecta (OI), dem Volksmunde als Glasknochen bekannt, geboren und hat zahlreiche Knochenbrüche durchmachen müssen.
In seiner Autobiographie lässt er den Leser an 13 Geschichten und Begebenheiten aus seinem Leben teilhaben. Bereits nach wenigen Seiten wird deutlich, dass Raúl Aguayo-Krauthausen ein lebensfroher Mensch ist, der sich nicht auf seine Behinderung reduziert fühlen möchte und auch alles dafür tut, dass dies nicht passiert. So sammelt er beispielsweise auch Behindertenwitze. Er möchte, dass „ohne Mitleid, schlechtes Gewissen und den erhobenen Zeigefinger, sondern mit Spaß, Leidenschaft und Humor“ über Behinderungen geredet wird.
Im Grunde geht es in dem Buch um den Kampf des ständigen annäherns an und entfernen von der eigenen Behinderung, beziehungsweise darum, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist.
Während des Lesens gerät seine Behinderung immer wieder in Vergessenheit. Und gerade dann wird klipp und klar deutlich, dass er auch nur ein Mensch ist, wie du und ich.
Raúl Aguayo-Krauthausen war vor zwei Jahren bei uns an der Schule und hatte von sich erzählt und seine Autobiographie vorgestellt. Damals hatte ich es mir auch gekauft. Er ist ein echt sympathischer Mensch. Ich muss gestehen, dass ich ihn anfangs nicht ansehen konnte, ohne Mitleid zu empfinden, doch das wandelte sich rasch in Bewunderung für seinen starken Willen und seine Sichtweise um.
Zugegebener weise habe ich lange gebraucht, bis ich das Buch nun endlich gelesen habe. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich es mit 16 nicht so interessant gefunden hätte, wie jetzt. Eine Freundin meinte damals beim Kauf (also vor zwei Jahren) zu mir: „Du wirst das Buch doch eh nie lesen“. Und ehrlich gesagt hatte sie recht, denn mit meiner Einstellung von früher hätte ich es wahrscheinlich nie gelesen. Doch wir Menschen ändern uns und ich bin froh darüber, denn sonst hätte ich nie einen Einblick in das Leben des Mannes erhalten, dessen Autobiographie ich euch hier „rezensiert“ habe.
Wo auch immer ihr das Buch herbekommt, besorgt es euch und lest es. Ihr werdet es auf keinen Fall bereuen. Von Raúls Einstellung kann so mancher noch was lernen.

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